Form

Chinesische Reflexbogen der hier betreffenden Art wurden traditionell mit dreiteiligen Sehnen geschossen.

Dabei handelte es sich um ein Mittelteil in Gestalt einer „klassischen“ Endlossehne, wie man sie auch heute noch kennt. In deren Endöhrchen waren jeweils gesonderte Schlaufen verknotet.

dreiteilige Sehne aus modernem Material

Die Knoten kamen meist auf den Sehnenbrücken zu liegen.

original dreiteilige Sehne auf einem chinesichen Reflexbogen, 19. Jh.

Sinn dieser Konstruktion war, dass die ausschließlich aus organischem Material gefertigten und somit für Umwelteinflüsse wie Hitze, Feuchtigkeit etc. sowie schlichten Gebrauch und dadurch hervorgerufene Veränderungen des Materials (Dehnung bzw. Schrumpfung) anfälligen Sehnen nach Belieben über die Knoten nachjustiert werden konnten und dadurch die Standhöhe des Bogens erhalten blieb. Auch Irritationen der – ebenfalls aus Naturmaterialien gefertigten - Bogen konnten dadurch (in Grenzen) ausgeglichen werden.

Weiterhin ließen sich die Endschlaufen aus für die Sehenkerben geeigneterem (weicherem) Material denn der Mittelteil fertigen und somit Beschädigungen dieser Bauelemente vermeiden.

Letztlich war es aufgrund der Komposition bei Beschädigungen der Sehen möglich, dass bei Beschädigung und Abnutzung nur Teile derselben ausgetauscht und nicht die gesamte Sehne aufwendig wieder angefertigt werden musste.

Ein solcher Aufbau ist heute aufgrund synthetischer Materialien für den Sehenbau nicht mehr nötig.

Zudem eignen sich synthetische Materialien aufgrund nicht gegebener Rutschfestigkeit oft nicht zur Anfertigung dreiteiliger Sehnen. Entsprechende Versuche mit diversen Materialien zeigten, dass sich die Knoten bei Schußbelastung immer wieder lösten.

dreiteilige Sehne aus modernem Material nach belastungsbedingter Öffnung einer Schlaufe

Es ist daher ausreichend, klassische Endlossehnen zu verwenden.

Wie auch hinsichtlich der Pfeile und der Daumenringe empfiehlt es sich, seine Sehnen auf längere Sicht selbst anzufertigen.

Sicherzustellen ist dabei, dass die Endschlaufen/Öhrchen der Sehnen lang genug sind, um den Siyahs genügend Platz zur Entfaltung ihrer Hebelwirkung beim Ablass zu geben:

Dies ist immer dann der Fall, wenn der Bereich, in dem die Schlaufenstränge vom Schlaufenende her gesehen zusammengewickelt werden, auf den Sehnenbrücken oder kurz dahinter (in Richtung Siyah gesehen) zu liegen gelangt.

Endlossehne mit ausreichend langer Sehnenschlaufe

Ist dies nicht der Fall, sind die Schlaufen somit zu kurz, quetschen sie die Siyahs gleichsam ab, verhindern, dass sie sich ausreichend in Richtung Reflex bewegen können. Dieses nimmt ihnen beim Ablass die Möglichkeit, ihre Hebelwirkung voll entfalten zu lassen. Die Folge ist weniger an Energieabgabe und somit ein Verlust an Leistungsfähigkeit des Bogens.

Endlossehne mit zu kurzer Sehnenschlaufe

Weiterhin bleibt durch eine ausreichend lange Sehnenschlaufe die Möglichkeit erhalten, die Sehne, soweit sie aus Dacron gefertigt ist, nach etwaiger Dehnung oder Längung (in Grenzen) durch Eindrehen verkürzen zu können:

Denn in dem Falle, dass sich die durch das Eindrehen bedingte Verdrehung der Sehne auch auf die Schlaufe ausdehnt, kommen die dadurch entstehenden Verdrillungen in der Regel noch ausreichend weit vor dem Ende der Schlaufen zu liegen und lassen den Siyahs selbst noch genügend Raum zur Entfaltung, so dass das erwähnte Abquetschen (noch) vermeiden werden kann.

Daraus folgt jedoch auch, dass eine Sehne nicht unbegrenzt eingedreht werden kann – die Grenze ist erreicht, wenn das erwähnte Abquetschen der Siyahs beobachtet werden kann.

Flämsich gespeiste Sehnen sollten mit Hinblick auf die Historie, wie auch die Tatsache, dass sie mangels ausreichend langer Endschlaufen/Öhrchen die Hebelwirkung der Siyahs durch das erwähnte Abquetschen reduzieren, nicht verwendet werden. Mangels Umwicklungen sind sie außerdem zu anfällig gegenüber der an den kräftigen Sehenbrücken chinesischer Bogen auftretenden Scheuerwirkung.

Materialien und Strangzahl

Das Material der Sehnen richtet sich nach der Empfehlung des Bogenbauers/Herstellers: Dacron B 50 sowie Fast Fligth (bzw. diesem entsprechende Varianten wie Vectran, Dyneema, S 4 etc.) kommen in Betracht.

Die Umwicklung der Schlaufen sollte, insbesondere bei Verwendung von Fastfligth-Sehnen, mit weicherem Garn (z. B. Mittenwicklungsgarn), gegebenenfalls in Doppelwicklung erfolgen, um eine Beschädigung der Sehnenkerben durch harte Garne zu vermeiden.

Für die Mittenwicklung empfiehlt sich etwas widerstandsfähigeres Mittenwicklungsgarn (z. B. Diamond Back). Es hat sich insbesondere beim Gebrauch mandschurischer Daumenringe als abriebresistenter denn die Standardvarianten erwiesen. 

Hinsichtlich der Strangzahlen gelten keinerlei Besonderheiten; im Mittel kann für die hier zu verwendenden Endlossehnen auf folgende Werte zurückgegriffen werden:

Dacron B 50:

Zuggewicht bis 30 Pfund - 8 Stränge

Zuggewicht bis 35 Pfund - 10 Stränge

Zuggewicht bis 45 Pfund - 12 Stränge

Zuggewicht bis 55 Pfund - 14 Stränge

Zuggewicht bis 80 Pfund - 16 Stränge

(vgl. Hübschmann aaO, S. 162)

Fast Fligth

Die Werte für Dacron können hier erfahrungsgemäß übernommen werden.

In Zweifelsfällen sollte mit dem Bogenbauer Rücksprache gehalten werden.

Pflege

Zur Pflege sollten Dacronsehnen vor jedem Schießen vollumfänglich gewachst werden. Dazu wird Sehnenwachs auf ein Lederläppchen gegeben und dieses mehrfach zügig über die Sehne geführt, bis eine leichte Erwärmung spürbar wird. Dadurch wird das Wachs weich und kann besser um und „in“ die Sehne eindringen.

Bei Fast-Fligth-Sehnen werden die Schlaufenwicklungen wie bei Dacronsehnen gewachst. Die restliche Sehne kann, muss aber nicht gewachst werden. Wird gewachst, ist aufgrund der Anfälligkeit des Garnes für Hitze entsprechend vorsichtig vorzugehen und eine Wärmeentwicklung wie beim Wachsen von Dacronsehnen zu vermeiden.

Die Mittenwicklungen werden bei keiner Sehnenart gewachst.

Als Sehnenwachs lässt sich zwar das Handelsübliche verwenden. Eine preiswertere und der Erfahrung nach aus bessere („besser wachsende“) Lösung ist jedoch die Verwendung eigens gekochten Wachses aus Olivenöl und Bienenwachs.

Als Notbehelf reicht für das Wachsen auch das Herüberzeihen einer handelsüblichen Kerze über die Sehne.