Mandschurischer Militär-/Jagdbogen, 19. Jh., mit freundlicher Genehmigung des Museum of Anthropology Missouri (Inv.Nr. 1998-0162)

Mandschurische Reflexbogen zeichnen sich zum einen dadurch aus, dass diese Bogen für Reflexbogen relativ lang sind.

Nachfolgende Abbildung illustriert dieses durch einen Größenvergleich zwischen einem madschurischen und einem koreanischen Reflexbogen.

Größenvergleich Replika mandschurischer Horn-Sehnen-Kompositbogen (unten) / Replika koreanischer Horn-Sehnen-Kompositbogen (oben), mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Bogenmuseums/Sammlung H. Wiethase

Zum anderen verfügen sie über außerordentlich lange, statische Siyahs; das Verhältnis von Siyah zu Wurfarm bewegt sich meist in Größenordnungen von einem zu zwei Dritteln.

Größenvergleich mandschurischer Bogen aus modernem Material (unten) / koreanischer Bogen aus modernen Materialien (oben)

Aufgrund eines starken, auf dem Bogenrücken aufgebrachten Sehnenbelages verfügen diese Bogen über einen ausgeprägten Reflex, der im Ausnahmefall dazu führen kann, das sich die Siyahenden bei abgespanntem Bogen fast berühren (ähnlich dem "Krabbeneffekt" bei den sogenannten, indischen "Krabbenbögen").

Ein weiteres Merkmal sind große Sehnenbrücken im Ansatzbereich des Überganges der Wurfarme zu den Siyahs sowie ein gerades, nur ansatzweise zurückgesetztes, meist rund der oval ausgeführtes Griffstück.

Die Sehenbrücken verhindern unter anderem, dass die Bogen aufgrund des Reflexes, der Länge der Siyahs und der großen Siyahwinkel beim Abschuß in Richtung des Reflexes umklappen und sich abspannen sowie, dass die langen, schweren Siyahs beim Abschuß zu weit in Richtung Reflex durchschwingen und dadurch das Material der Bogen übermäßig belasten. Weiterhin bewirken sie ein punktgenaues Lösen des Pfeils von der Sehne.

Mandschurischer Militär-/Jagdbogen, 19. Jh., mit freundlicher Genehmigung des Museum of Anthropology Missouri (Inv.Nr. 1998-0162)
Mandschurischer Militär-/Jagdbogen, 19. Jh., mit freundlicher Genehmigung des Museum of Anthropology Missouri (Inv.Nr. 1998-0162)
Mandschurischer Militär-/Jagdbogen, 19. Jh., mit freundlicher Genehmigung des Museum of Anthropology Missouri (Inv.Nr. 1998-0162)

Geschossen wurden diese Bogen meist mit einer traditionellen, dreiteiligen (Endlos-) Sehne. Die Zuggewichte bewegten sich meist in Größenordnungen ab 70 - 80 Pfund aufwärts; weniger war eher die Ausnahme.

Ihre Wurzel findet diese Art der Waffe in den mutmaßlich auf die Jagd von Großwild ausgerichteten Bogenformen, welche von den mandschurischen Stämmen verwendet wurden, bevor sie, gleichsam zur Kriegswaffe „umfunktioniert“, erfolgreich bei der Überwindung der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) eingesetzt wurde.

Innerhalb der nachfolgenden Qing-Dynastie und derer aggressiver, erfolgreicher, militärischer Expansionspolitik setzte sie sich endgültig durch und wurde unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Charakteristik weiter perfektioniert.

Das Resultat war ein Bogen, der dazu gedacht und geeignet war, im Kriegseinsatz vom Pferd und zu Fuß, aber auch noch bei der Jagd auf relativ kurze Entfernungen - man spricht gemeinhin von maximal 90 Metern - mittels schwerer, mit schweren Spitzen versehener Pfeile starke Panzerungen von Objekten oder Gegnern unter Anrichtung möglichst schwerer Schäden mit hoher Treffergenauigkeit zu durchdringen.

Die Kehrseite dessen waren eingeschränkte Reichweite und Geschwindigkeit der verschossenen Projektile.

Neben die zu Jagd- und Kriegseinsatz verwendeten Bogen traten im Laufe der Qing - Dynastie noch solche, welche ausschließlich zu Trainingszwecken oder dem Test der Physis im sogenannten Qing-Militär-Examen verwendet wurden: Sie zeichneten sich durch besonders breite, dicke Wurfarmen sowie teils übergroße Siyahs & Sehnenbrücken aus. Ihre Zuggewichte waren entsprechend hoch und lagen oft jenseits von 150 Pfund.

Schwerer mandschurischer Bogen – Exemplar zum Test der Physis im Rahmen des sogenannten Qing-Militär-Examens; China, Qing – Dynastie (1644 – 1912), 19./Anfang 20. Jh.; Komposit aus Holz, Bambus, Horn, Sehne & Bein, Kork, teilweise mit Birkenrinde cuvertiert und lackiert. Ehemalige Sammlung K. Zeilinger, Hermann Historica oHG München, Auktion 72 vom 21. April 2016, Los 3018; mit freundlicher Genehmigung der Hermann Historica oHG
Schwerer mandschurischer Bogen – Exemplar zum Test der Physis im Rahmen des sogenannten Qing-Militär-Examens; China, Qing – Dynastie (1644 – 1912), 19./Anfang 20. Jh.; Komposit aus Holz, Bambus, Horn, Sehne & Bein, Leder, teilweise mit Birkenrinde cuvertiert und lackiert. Ehemalige Sammlung K. Zeilinger, Hermann Historica oHG München, Auktion 72 vom 21. April 2016, Los 3019; mit freundlicher Genehmigung der Hermann Historica oHG

Die aus dem Vorerwähntem resultierende, „klassische“, bisweilen auch als „wuchtig“ bezeichnete Form der mandschurischen Bogen bedingte zum einen eine recht hohe Vorspannung des Bogens am Beginn des Auszuges – ein Phänomen, welches sich im modernen Bogensport etwa bei Compound-Bogen findet.

Ist diese überwunden, lassen sich diese Bogen aufgrund der das Hebelgesetz ausnutzenden, langen Siyahs mit relativ wenig Kraftaufwand bzw. unter nur langsamen Anstieg der dafür aufzuwendenden Kraft bis zum Maximalauszug ausziehen.

Letzterer wird von vielen Schützen als „angenehm weich“ bzw. „stackingfern“ bezeichnet und ist entsprechend der Hebelgesetze auch recht lang – Auszugsweiten zwischen 34 bis 36 Zoll als effektiver Leistungsbereich sind die Regel.

Im Abschussverhalten sind diese Bogen aufgrund derer Größe und langen Auszuges zunächst weniger fehleranfällig, als dies etwa bei kurzen, tatarischen oder koreanischen Bogen der Fall ist.

Jedoch kommt es beim Abschuß unter anderem zu einem Aufschlagen der Sehne auf den Sehnenbrücken - welches sich in einem charakteristischen, lauten Geräusch ("Patschen") äußert.

Folge dessen sind Vibrationen der Sehne und ein Schwingen oder "Paddeln" des Bogens selbst, dessen Ausmaß wesentlich durch die Länge des Bogens, insbesondere dessen Siyahs, deren Masse sowie des Reflexes bedingt ist und als sogenannter "Handschock" im Bogengriff wahrgenommen wird.

Dieser wird von Schütze zu Schütze unterschiedlich stark empfunden und ist ein wesentlicher Umstand, der das Schießen mit dieser Art von Bogen im Vergleich zu Bogen kürzerer Bauart unkomfortabler und gewöhnungsbedürftig macht.

Darüberhinaus muss der Handschock größtenteils vom Schützen physisch oder durch entsprechende Schußtechnik absorbiert werden, geriert bei Fehlen desselben meist Schießfehler und kann bei inkorrekter Schußtechnik Verletzungen hervorrufen.