Laminierter mandschurischer Bogen von Csaba Grozer

Nach diversen Versuchen mit unterschiedlichen Formen und Materialien brachte im Jahr 2016 der ungarische Bogenbauer Csaba Grozer einen Bogen im chinesisch - mandschurischen Stil unter Verwendung einer neuen Werkstoffkombination heraus.

Stammdaten

Laminierter Bogen im Stil der Kriegs- und Jagdbögen der chinesischen Mandschu-/Qing-Dynastie (1644-1911).

Hersteller: Csaba Grozer, www.grozerarchery.com

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt: 142 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 154 cm

Sehnenlänge abgespannt: 149 cm

Sehnenmaterial, -art und -stärke: herstellerspezifische Polyesterfaser, eine Verwendung von handelsüblichem Dacron B 50 ist möglich; 16 Strang

Zuggewicht: 52,80 lbs. @ 32 Zoll (gemessen), 43 lbs. @ 28 Zoll (Herstellerangabe), Auszugsdiagramm anbei

empfohlene Standhöhe: 7  –  7 1/4 Zoll

idelaer Arbeitsbereich: 30 – 32 Zoll.

max. Auszug: 32 Zoll

Gewicht: 0,570 kg

Materialien: Korpus/Kern/Wurfarme – Bambus; Griffstück und Wurfarmenden – Bambus; Laminierung des Korpus und des Griffstückes auf dem Bogenrücken - firmenspezifischer Fiberglasverbundwerkstoff; Laminierung des Korpus und des Griffstückes auf dem Bogenbauch - firmenspezifische Kunststoffverbindung (sog. TRH-Technologie); Übergänge vom Griffstück zu den Wurfarmen sowie von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden mit Wicklungen aus groben Garnmaterial verstärkt

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse: für kürzere mandschurische Bogen und solcher tibetischer Präferenz Zeit der Qing – Dynastie  typischer, mittlerer Reflex von Wurfarmen (Länge je 44 cm; Breite max. je 3,5 cm) und Siyahs (Länge je 28 cm)

Griffstück: schlank; gerade; leicht zurückgesetzt, ohne Bezug (beiliegende Abbildungen zeigen eine individuell angebrachte Ledercuvertierung)

Laminierter mandschurischer Bogen von Csaba Grozer - abgespannt
Laminierter mandschurischer Bogen von Csaba Grozer - aufgespannt

Fertigungszeit: 1. Halbjahr 2016

Preis (2016): 315,- Euro

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist solide, stabil und sauber.

Aufgrund des zur Laminierung verwendeten Kunststoffmaterials kann eine Robustheit unterstellt werden, die denen glaslaminierter Bogen überlegen ist.

Die Siyahs wirken filigran, ebenso die Sehnenbrücken.

Aus der Erfahrung mit anderen Bögen ähnlicher Bauart scheint es günstig, die Sehnenbrücken mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren.

Laminierter mandschurischer Bogen von Csaba Grozer - Wurfarmende und Sehnenbrücke

Die sonstige Gestaltung des Bogens ist spartanisch:

Das von der Oberfläche her sehr glatte Griffstück weist keinerlei Cuvertierung in Form einer Wicklung oder Bezug mit Leder, Kork oder anderen Materialien auf. Da sich dieses aufgrund des sich beim Schießen auf der glatten Oberfläche ansammelnden Handschweißes negativ auswirkt, muß eine Ummantelung selbst angebracht werden. Diese erfolgte hier in mittels Leder.

Ebenso fehlt die bei chinesisch-mandschurischen Bogen typische – und unter Sicherheitsaspekten notwendige - Cuvertierung des Bogens an einer – möglichen – Stelle des Kontaktes des Pfeils mit dem Bogen (Pfeilanlage), die den Bogen vor Beschädigungen durch den Pfeil bei nicht perfektem Abschuß schützen soll.

Laminierter mandschurischer Bogen von Csaba Grozer - Griffsection

Die farbliche Gestaltung ist dezent:

Die Laminierung des Bogenbauchs ist in Schwarzbraun gehalten und imitiert Hornbelag; der Belag des Bogenrückens schimmert halbtransparent dunkelbeige-braun, den Sehnenbelag eines Horn-Sehnen-Kompositbogens suggerierend. Die Siyahs sind rötlich lackiert; der Bereich um die Sehnenkerben ist in schwarz gehalten und täuscht eine Ausführung in Horn vor.

Ob die Fadenwicklungen an den Übergängen vom Griffstück zu den Wurfarmen bzw. von den Wurfarmen zu den Wurfarmenden wirkliche Funktionen erfüllen - wie etwa eine Stabilisierung oder Schutz gegen Verdrehungen - oder nur Zierde sind, konnte nicht beurteilt werden. Jedenfalls wirken sie zu dem insgesamt recht schlank wirkenden Bogen recht unpassend klobig, stören dadurch den optischen Gesamteindruck etwas.

Laminierter mandschurischer Bogen von Csaba Grozer - Wurfarmende mit  Wicklung um Siyahknie
Auszugs- und Schußverhalten
Auszugsverhalten

Im ersten Drittel des Auszuges ist das für mandschurische Bogen typische Auszugsverhalten festzustellen:

Aufgrund des Reflexes und der langen Wurfarmenden besteht eine Vorspannung, die zunächst überwunden werden muß.

Dieses ist bei diesem Bogen ähnlich wie bei einem modernen Compoundbogen wahrzunehmen:

Es muss kurzzeitig recht kräftig, fast wie „gegen eine Wand“ angezogen werden, um die Vorspannung zu überwinden. Danach erfolgt ein merklicher Abfall des notwendigen Kraftaufwandes und der Bogen läßt sich „weich“ bzw. angenehm bei nur als moderat wahrgenommenem Anstieg des Zuggewichts weiter ausziehen.

Selbst im Verlauf des letzten Drittels des als maximal empfohlenen Vollauszuges von 32 Zoll war immer noch ein recht gleichmäßiger Anstieg des zum Auszug notwendigen Kraftaufwandes zu verzeichnen.

Subjektiv gesehen hatte man beim Erreichen des Vollauszuges nicht den Eindruck, am Ende des möglichen Auszuges angelangt zu sein; selbst ein Überziehen schien möglich. Ein Stacking war in keiner Weise zu bemerken.

Auszugskurve anbei.

Abschussverhalten Bogen

Der Bogen wurde unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil bei Maximalauszug von 32 Zoll geschossen.

Bogen mandschurischer Bauart gerieren aufgrund des Reflexes von Wurfarmen, der Länge der Siyahs sowie der Sehnenbrücken beim Abschuss teilweise erhebliche Schwingungen, welche als Handschock wahrgenommen und vom Schützen durch entsprechende Schusstechnik absorbiert werden müssen. Letzteres erfordert einige Übung und erschwert, insbesondere für Anfänger, das Schießen mit Bogen dieser Bauart teilweise erheblich.

Ungeachtet dessen entwickelte der getestete Bogen fast keinerlei Handschock.

Beim Aufschlag der Sehne auf den Sehnenbrücken entsteht der für diese Bogenformen typische "Knall".

Die Energieabgabe beim Abschuss erfolgte ausgesprochen gleichmäßig, ruhig – dynamisch und sehr stabil. Die Pfeile wurden gleichsam irritationslos gerade und ausgesprochen fehlerverzeiend Richtung Ziel befördert. Ein Fehlgehen der Schüsse aufgrund des Abschussverhaltens des Bogens selbst schien nahezu ausgeschlossen.

Es entstand das Gefühl eines „satt-sicheren“ und dennoch schnellen Abschusses.

Da das Design des Bogens in etwa den historischen Vorbildern entspricht, kann vermutet werden, dass die Werkstoffkombination der Bogenbestandteile für diese komfortable Handhabbarkeit ursächlich ist.

Verwendetes Testmaterial

Pfeil 1 -  Aluminium Easton XX 75 Legacy 2216, Länge 32 Zoll; Durchmesser 11/32, 125-grs.-3-D-Combo-Spitze; klassische Befiederung im mandschurischen Stil mit drei Federn in gestreckter Parabolform über 26 cm; für Bogen dieser Bauart untypisch leichtes Pfeilgewicht von  587 grain - 11,1 gpp .

Pfeil 2 – Holzpfeil, Fichte, Länge 32 Zoll; Durchmesser 23/64; Klebespitze; Befiederung mit drei Federn; für Bogen dieser Bauart typisches, relativ hohes Pfeilgewicht von 700 grain  - 13,2 gpp .

Subjektiver Eindruck

Bei Verwendung des für den Bogen eigentlich zu leichten Pfeiles Nummer eins gerierte der Bogen fast keinerlei Handschock. Bei Verwendung des Pfeiles Nummer zwei war gar keiner zu spüren.

Ergebnisse
Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung

Der Pfeil wurde mehrfach über ein offenes, wie geschlossenes Chronometer geschossen.

Pfeil 1: Geschwindigkeitsmittel: 180 fps.

Pfeil 2: Geschwindigkeitsmittel: 161 fps.

Diese Ergebnisse liegen im Bereich des für Bogen dieser Bauart zu Erwartenden: Chinesisch - mandschurische Bogen waren und sind keine Hochgeschwindigkeits- (oder Weitschuss) - waffen. Sie waren konstruiert, um schwere Pfeile auf mittlere Distanzen bei hoher Durchschlagskraft gegen schwer gepanzerte Gegner bzw. entsprechendes Wild effektiv und sicher ins Ziel zu bringen.

Fazit

Ein gut verarbeiteter, jedoch spartanisch ausgestatteter Bogen in exklusivem Design mit gutem Auszugs- und Schussverhalten. Die Komposition von Bogendesign und Werkstoffen ist als gut gelungen zu bezeichnen.

Aufgrund des ruhigen und fehlerverzeienden Schussverhaltens kann dieses Modell insbesondere für Interessenten eine Option sein, die aufgrund von Mutmaßungen über unkomfortable Handhabbarkeit etc. chinesisch - mandschurischer Bogen bisher vom Schießen mit diesen Abstand genommen hatten. Aus diesen Gründen ist er auch für Anfänger geeignet.

Weniger vorteilhaft nimmt sich der angesichts des verwendeten Materials sowie der puristischen Ausstattung recht hohe Preis aus.

Angesichts dessen ist zu befürchten, dass Interessenten vom Erwerb eines solchen Bogens Abstand nehmen könnten.

Dieses gilt umso mehr, als dass Bogen mit Anteil von Fiberglas und Kunststoffverbindungen immer noch der – wie dieser Bogen selbst zeigt – unzutreffende Makel eines „untauglichen… nicht leistungsfähigen Billigprodukts“ anhaftet und sich auf dem Markt mittlerweile erheblich preiswertere, glaslaminierte Bogen selben Designs aus Fernost finden.

Auszugsdiagramm